Bilal Ciloglu, der Brückenbauer - Wer Fußball spielt, lernt Teamplay und Fairness. An zwei Grundschulen in Hannovers Norden geht das Konzept auf
Hannover. Wenn Bilal Ciloglu durch die Gänge der Grundschule Vinnhorst läuft, wird es laut. Hallo! Guten Morgen! Wie geht’s? So grüßen die Kinder den Johanniter mit dem Sonderauftrag „Interkulturelle Bildungsarbeit“ und hängen auch schon – zack! – an seinem Arm. Fragen folgen. „Hast Du mal Zeit?“ Oder: „Können wir mal reden?“ Den Spitzenplatz aber hält diese: „Wann spielen wir wieder Fußball?“
Seit sechs Monaten ist der 45-Jährige mit deutsch-türkischem Hintergrund jeden Vormittag an der Grundschule Vinnhorst im Einsatz. Als Vermittler soll er ein vorurteilsfreies Miteinander und die Interaktion zwischen Schülern, Eltern, Lehrenden und Sozialarbeitenden fördern. Genau sein Ding! Geboren in Hanau ging die Familie Mitte der 80er Jahre zurück in die Türkei. Dort studierte er Germanistik und Pädagogik, arbeitete als Reiseleiter. 2017 kam er mit seiner Frau nach Deutschland. Er spricht Deutsch und Türkisch, kennt beide Kulturen mit ihren Eigenarten und Ritualen. Ein Wanderer zwischen den Welten. 2018 begann er bei den Johannitern. Er startete in der nachmittäglichen Ganztagsschulbetreuung an der Grundschule Glücksburger Weg. „Mit Kindern werde ich selbst wieder zum Kind, da vergesse ich alles“, sagt er. Es dauerte nicht lange bis zur Gründung der Fußball-AG für Dritt- und Viertklässler. Sie wurde ein großer Erfolg. Warum Fußball? Weil es viel mehr ist als nur einen Ball zu kicken. Teamplay, Respekt, das Einhalten von Regeln, gemeinsam gewinnen oder auch verlieren…
Als Bilal Ciloglu vor einigen Monaten durch das Projekt "Interkulturelle Bildungsarbeit" vormittags auch noch an der Grundschule Vinnhorst anfing, war auch hier eine seiner ersten Ideen ein Fußball-Angebot – wieder mit Erfolg. Am Sonnabend, den 9. Juli, kommt es nun zum Showdown: Die Grundschule Glücksburger Weg tritt im Fußballspiel gegen die Grundschule Vinnhorst an. Bilal Ciloglu wird nicht als Doppeltrainer in die Partie gehen, sondern sie als Schiedsrichter leiten. „Wie schaffe ich es nur, dass das Spiel unentschieden ausgeht?“, fragt er sich schon jetzt, „es MUSS ein Unentschieden geben. Ich will an dem Tag kein trauriges Kind sehen.“
Traurigen Kindern begegnet er oft genug, für sie finanziert die Stadt seit 2019 das Projekt „Interkulturelle Bildungsarbeit“. Die Erfahrung des Johanniters ist: „Was die Kinder zu Hause erleben, kommt in der Schule raus. Und wenn es Probleme gibt, geht es so gut wie immer auf die Eltern zurück.“ Seine Methode, diesen Kindern zu helfen, klingt einfach: „Ich bin da und ich höre ihnen zu.“ Im Alltag bedeutet das oft Einzelfallhilfe und ein hohes Maß an Zugewandtheit, Toleranz und Aufmerksamkeit. Jeden Morgen steht Bilal Ciloglu eine halbe Stunde vor Schulbeginn vor dem Haupteingang. Er begrüßt die Kinder, redet mit ihren Eltern, behält einiges für sich, trägt manche Informationen aber auch zu den Lehrenden und Sozialarbeiterinnen. „Wir sind sehr glücklich, ihn hier an unserer Schule zu haben. Wir geben ihn nicht mehr her“, sagt die stellvertretende Schulleiterin Annette Groß.
Die Kinder auch nicht. Sie hören ihm zu, suchen seine Nähe, akzeptieren seine Regeln. Schimpfwörter und Gewalttätigkeiten sind bei Bilal Ciloglu beispielsweise verboten. Wer dagegen verstößt, fliegt sofort aus dem Training und wird für die nächste Trainingszeit gesperrt. Das will keiner. Am Spiel gegen die andere Grundschule teilnehmen, wollen hingegen viele. Also bastelt der Johanniter zurzeit an einem Plan, mit dem er so viele Kinder und Familien wie möglich glücklich machen kann. Das Spiel soll an einem Samstagnachmittag sein, damit viele kommen und anfeuern können. Je elf Kinder, darunter natürlich auch Mädchen, stehen auf dem Platz, etwa weitere zwanzig von jeder Schule sitzen draußen und warten auf ihre Einwechselung – alle sollen mitspielen können. Nur ein Fußballplatz muss noch gefunden werden. Wer dabei helfen kann, darf sich bei einer der Schulen gerne melden.
Bei den Johannitern in Hannover gehört Bilal Ciloglu zu einem Team mit vier Mitarbeitenden bei der „Interkulturellen Bildungsarbeit“, neben ihm gibt es noch drei Arabisch sprechende Kolleginnen. Susanne Schmiechen, Fachbereichsleiterin Ganztagsschulen, ist von dem Projekt überzeugt: „Es gibt nach wie vor Sprachbarrieren. Wir brauchen Menschen, die mit Hilfe ihrer sprachlichen Fähigkeiten und ihrer soziale Kompetenz zu Brückenbauern werden.“ Die „Interkulturelle Bildungsarbeit“ ist ein spezielles Projekt, in dem sich jedoch viele Anteile der normalen Ganztagsbetreuung von Schülern wiederfinden mit dem Ziel, voneinander zu lernen und miteinander Spaß zu haben. Wer darauf Lust hat: Die Johanniter suchen regelmäßig nach pädagogischen Fachkräften für acht Ganztagsschulen und gerade ganz aktuell ab Mitte August ein neues Team für die Grundschule Auf dem Windmühenberge in Isernhagen NB. Stellenausschreibungen und Infos unter
www.karriere.johanniter.de.