von Matthias Falk
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18. September 2024
Open-Air-Ausstellung - „PREZIOSEN“: Kreativer Blick auf den Berggarten Die Open-Air-Ausstellung PREZIOSEN verwandelt den Berggarten vom 18. September bis zum 27. Oktober in eine Kunstgalerie. Bis zum 27. Oktober lassen sich beim Spaziergang durch den Garten 16 Kunstwerke entdecken. Sie bringen die Sichtweisen der Künstler*innen auf die Pflanzenwelt und Geschichte der Herrenhäuser Gärten vielfältig zum Ausdruck, zum Beispiel als Skulptur, als Leuchtkasten oder als Audioinstallation. Koordiniert hat die Ausstellung die hannoversche Künstlerin Dagmar Brand. Kooperationspartner sind die Herrenhäuser Gärten und das Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover. Ungewöhnliche „Pflanzen“ sind beim Gartenspaziergang zu entdecken In verschiedenen Gartenbereichen wie dem Paradies, dem Moorweiher oder der Lindenallee verbinden sich die Werke mit ihrer Umgebung, bilden Kontraste oder setzen Akzente. Da ist zum Beispiel „Badgir“ von Anna Grunemann, die an einen traditionellen persischen Windturm erinnert und zum Nachdenken über den Klimawandel anregt. Oder das „Flattertuch“ von Ulrike Enders, ein fröhlicher roter Hingucker im Laub. Natalie Deseke lädt mit der Audioinstallation „Ode an den Berggarten“ dazu ein, in einem Hängesessel Platz zu nehmen und Kurfürstin Sophie zu lauschen. Mit der Bambuslaube „Heimlicher Grund“ hat Rolf Sextro einen Rückzugsort im Dickicht des Bambushains geschaffen. Sabine Müller schuf mit „Es kam der Tag“ das Leitmotiv der Ausstellung, einen skizzierten Eremiten. Der geschützte Käfer bewohnt die Lindenallee und war Anlass dafür, dass die alten, maroden Bäume nicht ausgetauscht werden durften. Die Auswahl der gezeigten Objekte traf eine Jury mit Dagmar Brand, Anne Prenzler vom Kulturbüro, der früheren Kulturdezernentin Marlis Drevermann, Prof. Wilfried Köpke von der Hochschule Hannover und Prof. Dr. Anke Seegert, Direktorin der Herrenhäuser Gärten. „Dabei war es wichtig, dass sich die Künstler*innen auf den botanischen Garten und seine Besonderheiten einlassen“, erklärt Anke Seegert, „und das ist aus meiner Sicht sehr gut gelungen!“. Der Gartenbezug war auch schon bei den gemeinsamen Vorgänger-Projekten von Bedeutung. 2007 war im Großen Garten die „Figurale“ zu sehen, 2018 im Berggarten die „Florale“. Die Objekte und Künstler*innen in der Übersicht Rolf Blume: Jahresringe („time after time“) Goldene Ringe an acht Positionen im Garten. Sie verweisen auf den Widerspruch von Natur und Kultur und wecken Assoziationen zu fürstlichen Gesellschaften oder Märchen. Bei Gold denken wir an Reichtum, den jedoch vor allem die Natur selbst erzeugt. Material: Kunststoffrohre Natalie Deseke: Ode an den Berggarten Audioinstallation. Eine Stimme lädt dazu ein, im Hängesessel Platz zu nehmen und den Ausblick in den Garten zu genießen. Wer länger lauscht, entdeckt, dass es Kurfürstin Sophie ist, die in Erinnerungen schwelgt. Sie nimmt uns mit auf eine Zeitreise von den Anfängen bis zur Gegenwart und erinnert an die Geschichte des Berggartens. Ein Hörstück, das Lust machen soll, den Berggarten zu erkunden und darüber hinaus den von der Kurfürstin maßgeblich mitgestalteten Großen Garten zu besuchen. Ulrike Enders: Flattertuch Man kann mal in Ruhe ansehen, was sich sonst durch ständige Bewegung der genaueren Betrachtung entzieht. Material: Polyester Elena Glazunova: Fliegende Preziosen Der Schmetterling verkörpert ein Bild aus den Tiefen der poetischen Tradition, was mit der Vorstellung von Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit des Lebens, von der Seele, von Tod und Unsterblichkeit verbunden ist. Heute aber gibt es zwei Drittel weniger Tagfalter als noch vor 30 Jahren und auch die Arten werden immer weniger. Sie sind gefährdet. In dieser Installation flattern 33 Schmetterlinge im Wind, werden aber unterschiedlich diese Zeit überstehen. Manche flattern lange, andere aber falten ihre Flügel und werden leblos. Material: Polyethylen-Folie, Stahl, Aluminium Anna Grunemann: Badgir Klimaanlage für den Berggarten – ein Gedankenmodell Während sich der Berggarten noch in vollem üppigem Grün zeigt, dockt diese Arbeit an traditionelle persische Klimaanlagen an, die am Ort der Installation gleich noch mit vorhandenen weiteren Installationen korrespondieren sollen. Das Klima ist da und seit jeher versucht der Mensch beeinflussend einzuwirken. Im alten Orient gab es dazu bereits vor 3000 Jahre probate Lösungen ohne Strom, die über die Umlenkung kühler Luftströme bei Nacht in der Lage waren, Gebäude zu kühlen. Material: Holz und Messingkranz Helmut Hennig: #Traum Der Laubengang unter der weit verzweigten Süntelbuche ist ein einzigartiger, magischer Ort, eine naturgewachsene, seltene Kostbarkeit: als altehrwürdiger Lebens-Baum überwuchert er den offen gestalteten Laubengang, formt ein schattig-grünes Dach und bietet Schutz und Geborgenheit. Auf dem Weg unter dem verwachsenen Ensemble hindurch lässt er Gedanken, Wünsche und Träume zu. Verzweigt und gewunden wie das Geäst der Süntelbuche sind auch unsere Wünsche und Gedanken. Material: Leuchtkasten Helmut Hennig: #Dreambubbles Ein weiterer magischer Ort: der Moorweiher. Als Biotop und biologisches Reservoir ist er in Zeiten des Klimawandels, als Vorbild, eine unverzichtbare Kostbarkeit für den Umgang mit unserem zukünftigen Lebensraum. Wie aus der sumpfigen Urmasse aufgestiegene Gasblasen geben die im Gewässer installierten 'Dreambubbles' den Raum zum Träumen und Fantasieren frei. Aber Vorsicht, ihre Haut ist dünn und empfindlich und ob sie zerplatzen wird die Zukunft zeigen... Material: transparente Kunststoffbälle Elke Lennartz: ODEM Die Kostbarkeit des Normalen. Wir atmen selbstverständlich. Erst in der Störung wird die Besonderheit bewusst. Wie das feinverzweigte Lungengeäst ragen die Baumwurzeln aus der Erde. Sie stehen für die Atemnot der Vegetation, die unter dem Klimawandel leidet. Bäume atmen, Bäume schreien nicht, Bäume sterben still. Material: Wurzelstücke, Holz Sabine Müller: Es kam der Tag Die Geschichte einer Beziehung dreier Kreaturen: Linde kränkelt / Mensch will Allee erneuern / Käfer taucht auf / Mensch will Käfer schützen / Käfer bewohnt Linde / Linde muss erhalten bleiben / Mensch schützt Linde / Ende. Material: Keramik und Textil Maximilian Neumann: Taking Care of Symsta Zweierlei Kostbarkeiten finden hier ihren Platz – lange bewahrt, behutsam behandelt. Bauholz trägt hier die Keramiken „Symsta“ von David Schomberg. Material: Keramik glasiert, Holz Tom Otto: Doch dein Versteck kommt nicht näher (Inger Christensen) Preziosen – diese kleinen Kostbarkeiten – bewirten das innere Wünschen nach Schönheit. Doch Schönheit kann auch gefährlich sein. Eine Quecksilberperle ist es, die giftige Blüte einer Pflanze ist es, oder auch der edle Füllfederhalter, mit dem ein toxischer Staatsvertrag unterschrieben wird, eine Ehe oder ein scheinbares Glück.Das Kleinod als Gift, als böses Geschenk. Zwei große Schlagbäume liegen mit ihrem jeweiligen Ende auf einem Tisch auf und grenzen die darauf liegenden Gegenstände in ihrer Mitte ein. Auf jeder Seite des Tisches steht ein Stuhl. Sie stehen sich gegenüber und schauen sich an. Mehrere Stühle auf jeder Seite beobachten das Geschehen vom Hintergrund aus. Auf dem Tisch liegen beziehungsweise stehen zwei Blatt Papier, ein edler Füllfederhalter und eine kostbare Schatulle mit geschlossenem Deckel. Es wird verhandelt. Material: Stahl, Tisch, sieben Stühle Inge Marion Petersen: MOULT I-IV Meine Wesen symbolisieren die fließenden Übergänge und Verbindungen in der Natur, fordern traditionelle Kategorien heraus und betonen die Bedeutung von Zwischenzuständen und Zwischenräumen in der natürlichen als auch in der menschlichen Erfahrung. Material: Gardinenstoff, Draht Constanze Prelle: Reigen der Maulwürfe Der Maulwurf verko¨rpert die eigenwillige Natur in einem vom Menschen konstruierten barocken Garten. Die sichtbaren Erdauswürfe des schwarz glänzenden kleinen Tieres verweisen auf seine versteckten unterirdischen Räume. Normalerweise chaotisch den Würmern folgend, hier in einem barocken Reigen angeordnet. Material: Substrat aus dem Berggarten Rolf Sextro: Heimlicher Grund Aus dem Bambusschnitt entsteht Sonderbares. Material: Bambus Ulla Nentwig / Barbara Steinmeyer: Tisch im Hain Sabine Strätger: 108 Blüten Eine auf der Grasfläche ausgelegte textile Arbeit – der Vergänglichkeit preisgegeben. Material: Schafwolle, Baumwolle Die Ausstellung PREZIOSEN – Kunstausstellung im Berggarten Hannover ist vom 18. September bis zum 27. Oktober von 9 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist im Garteneintritt enthalten (5 Euro/Erwachsene). Veranstalter: Landeshauptstadt Hannover - Fachbereiche Herrenhäuser Gärten und Kulturbüro Fotos: © 18.09.2024 Matthias Falk - hannover_fotografie