Auf einer rund 5.000 Quadratmeter großen Fläche auf dem Gelände des Kleingärtnervereins (KGV) Heide-Kamp e.V. im Heideviertel entsteht ein Insektenparadies. Zu diesem Zweck wurde dort heute (15. April) eine insektenfreundliche Mischung aus heimischen Pflanzenarten angesät, unter anderem Gewöhnliche Schafgarbe, Wiesen-Margerite, Herbst-Löwenzahn, Wilde Möhre und Rot-Klee. Das war die erste Aktion des „Insektenbündnisses Hannover“. Dieser Zusammenschluss mehrerer Institutionen hat sich die Verbesserung der Lebensbedingungen für Insekten zur Aufgabe gemacht. Eine kleine Hauptrolle bei den Arbeiten kam dem Rückepferd „Geert“ zu, das in Vorbereitung der Handaussaat mit historischen Saatschalen zur Bearbeitung der neuen Pflanzfläche eingesetzt wurde.
„Das Insektenbündnis ist eine wichtige Initiative, um die Biodiversität in unserer Stadt zu erhalten und zu fördern. Mit diesem Zusammenschluss haben wir unser Engagement für die biologische Vielfalt auf ein noch breiteres Fundament gestellt. Ich freue mich sehr, dass wir kurz nach der Gründung des Bündnisses heute den ersten wichtigen Beitrag für mehr insektenfreundliche Blühflächen im Stadtgebiet von Hannover geleistet haben“, betonte Oberbürgermeister Belit Onay bei der Saataktion im Heideviertel.
Naturnahe Flächen für mehr Artenvielfalt
Der Fachbereich Umwelt und Stadtgrün verfolgt bereits seit Jahren das Ziel, durch die konkrete Anlage von neuen Blühwiesen und weiterer naturnaher Flächen sowie durch die Reduzierung der Mahd die biologische Vielfalt zu fördern (Projekte „Artenreich & Vielfältig“ und „Naturstadt-Kommunen“). Insgesamt beläuft sich der Bestand dieser Areale im Stadtgebiet mittlerweile auf circa 104 Hektar (ohne Stadtwald- und Naturschutzgebiet-Flächen). Davon sind 13,6 Hektar Blühwiesen. Rund 90 Hektar werden extensiv, ökologisch orientiert gepflegt und maximal einmal jährlich gemäht.
Im Jahr 2020 wuchs der Anteil an Blühwiesenflächen um etwa einen Hektar an, so wurde beispielsweise am Leibnizufer eine Blühwieseangelegt. Für 2021 und in den Folgejahren strebt das Insektenbündnis weitere deutliche Zuwächse zum Erhalt und Erhöhung der Artenvielfalt an. Für diesen Zweck recherchieren die Fachleute der Stadtverwaltung derzeit nach geeigneten Flächen und sammeln Ideen und Anregungen der Bündnispartner*innen für die konkrete Umsetzung von möglichen Maßnahmen. Im ersten Schritt sollen bis zum Herbst 2021 beispielsweise in der Culemannstraße, am Benther Berg, am Lindener Berg sowie in Lichtungen in der Eilenriede blühende, insektenfreundliche Bereiche geschaffen werden.
Die Landeshauptstadt Hannover setzt sich schon seit langer Zeit für die Steigerung der Biodiversität im Stadtgebiet ein: Bereits im Jahr 2009 wurde als Strategie das Programm „Mehr Natur in der Stadt“ ins Leben gerufen. Zwei Jahre später erhielt Hannover die Auszeichnung als „Bundeshauptstadt der Biodiversität“. 2012 erfolgte der Ratsbeschluss zum Beitritt der Stadt in das Bündnis „Kommunen für biologische Vielfalt“. 2018 beschloss der Rat das Programm „In Hannover blüht was“, ein Jahr später das „Aktionsprogramm Bienenschutz“.
Zusammenschluss „Insektenbündnis Hannover“
Mit Beschluss im hannoverschen Rat vom 17. Dezember 2020 verpflichtete sich die Stadt zum Beitritt in das „Insektenbündnis Hannover“ mit dem Ziel, weitere Verbesserungen im Sinne der Insektenfauna in Hannover vorzubereiten. Die mitbeschlossene Deklaration mit einem umfassenden Bündel von konkreten Maßnahmen ist die Grundlage des Handelns. Vor allem die Kooperationspotenziale zwischen Wirtschaft, Grundstückseigentümer*innen, Umwelt- und Naturschutzverbänden und weiteren Akteur*innen und Initiativen mit der Landeshauptstadt zur Verbesserung der Lebensräume für Insekten sollen im Rahmen eines starken Interessenverbundes ausgeschöpft werden. Die örtlichen Umwelt- und Naturschutzverbände hatten sich dafür starkgemacht, nach Vorbildern anderer Städte auch für Hannover ein Insektenbündnis zu gründen.
Neben dem Fachbereich Umwelt und Stadtgrün der Landeshauptstadt Hannover sind im „Insektenbündnis“ vertreten : Bezirksverband Hannover der Kleingärtner, Bürgerinitiative Umweltschutz, Bund für Umwelt und Naturschutz - Region Hannover, Deutsche Umwelthilfe, Hannover summt!, Kreisimkerverein Hannover, Landvolk Hannover, Landwirtschaftskammer Niedersachsen Bezirksstelle Hannover - Fachbereich Ökologischer Landbau, Leibniz Universität Hannover - Institut für Umweltplanung, NABU - Hannoverscher Vogelschutzverein, Naturhistorische Gesellschaft, Naturschutzbeauftragte Karola Hermann, Guido Madsack, Gerd Sommerkamp, Gerd Wach, Naturschutzverband Niedersachsen, Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer, Ökologische Station Mittleres Leinetal sowie Umweltzentrum Hannover.
Vor der Gründungssitzung im Oktober vergangenen Jahres war von allen Mitgliedern eine gemeinsame Deklaration erarbeitet und unterzeichnet worden. Diese Deklaration enthält vor allem folgende Maßnahmen und Ziele: Erhalt sowie Erhöhung der Artenvielfalt (Diversität) und Größe der Populationen (Abundanz) von Insekten in Hannover durch Verbesserung ihrer Lebensräume (Habitate). Dabei sollen Akteur*innen des Naturschutzes und der Flächeneigentümer*innen einbezogen werden. Neben konkreten Fördermaßnahmen soll das Bewusstsein in der Stadtgesellschaft für den Insektenschutz durch Öffentlichkeitsarbeit und Angebote zur Umweltbildung gefördert werden. Die Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen, sind:
- Schaffung eines möglichst durchgehenden Pollen- und Nektarangebots von März bis November;
- Verbesserung und Schaffung von Nist- und Überwinterungsmöglichkeiten unter anderem durch den Erhalt und die Entwicklung wichtiger Teillebensräume;
- besonderer Schutz von seltenen, wertgebenden und besonders gefährdeten Arten;
- Berücksichtigung des Insektenschutzes im Rahmen der Bauleitplanung;
- Aufbau eines Biotopverbundes insbesondere auch für Insekten mit Vernetzung von Teillebensräumen im Stadtgebiet;
- ökologisches, auf den Insektenschutz ausgerichtetes Grünflächen- und Gewässermanagement;
- weitgehender Verzicht der Verwendung von insektenschädlichen Pflanzenbehandlungsmitteln, insbesondere Neonicotinoiden, auf städtischen Flächen;
- überwiegende Verwendung gebietsheimischer oder regionaler Pflanzenarten im besiedelten Bereich;
- Motivation und Unterstützung der Privatflächenbesitzer*innen für die Verwendung gebietsheimischer und regionaler Pflanzenarten;
- Aufbau und Stärkung von Angeboten gebietsheimischer Pflanzenarten;
- Erhalt naturnaher Flächen und Entwicklung von Wildnisinseln, Weidelandschaften und Insektenbiotopen im Stadtgebiet;
- Reduzierung von Lichtverschmutzung durch Umstellung auf insektenfreundliche Lichtquellen;
- regelmäßige, themenbezogene Umweltbildungsangebote und kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit durch die Akteur*innen des Bündnisses;
- Entwicklung und Vertrieb von „regiozertifizierten“ „Hannoverschen Mischungen“ mit gebietsheimischen insektenfreundlichen Pflanzenarten für öffentliche und private Flächen;
- Förderung von Maßnahmen für den Insektenschutz auf privaten land- und forstwirtschaftlichen Flächen und in Privatgärten sowie
- wissenschaftliche Begleitung der Maßnahmen und eine Erfolgskontrolle durch ein Monitoringprogramm und gegebenenfalls Anpassung der Maßnahmen.
Fotos: © 15.04.2021 Matthias Falk - hannover_fotografie