Statement von Ministerpräsident Stephan Weil zu der heutigen Tarifeinigung bei Volkswagen
„Erstens: Ich bin zunächst einmal erleichtert, dass es heute doch noch eine Tarifeinigung bei Volkswagen gegeben hat. Das waren besonders schwierige und besonders harte Verhandlungen. Die Schwierigkeit ergibt sich aus den Herausforderungen, vor denen Volkswagen bekanntlich steht. Die Härte der Gespräche erkennt man schon an der enormen Dauer der Verhandlungen. Die Verhandlungskommissionen haben nicht nur tage-, sondern auch nächtelang miteinander gerungen.
Am Ende ist es aber doch gelungen, den Arbeitnehmern, ihren Familien, vielen anderen Betroffenen noch vor Weihnachten Klarheit zu verschaffen. Dafür hat sich der ungewöhnliche Einsatz gelohnt und ich bedanke mich herzlich bei allen, die zu der heute gefundenen Einigung beigetragen haben.
Diese Einigung ist aber auch für das Unternehmen selbst eine gute Nachricht. Die Auseinandersetzungen der vergangenen Monate haben Volkswagen nicht gutgetan. Sie wirkten belastend nach innen und nach außen. Die heutige Einigung bietet die Chance, jetzt unter die Differenzen einen Schlussstrich zu ziehen und sich vom Jahresanfang 2025 an wieder voll und ganz auf die Produktion und den Verkauf exzellenter Fahrzeuge zu konzentrieren.
Zweitens: Die Landesregierung hat immer wieder unsere Maßstäbe für den weiteren Weg von Volkswagen zum Ausdruck gebracht:
Die Wiederherstellung einer uneingeschränkten Wettbewerbsfähigkeit von VW durch Senkung der Kosten.
Die Erwartung, Werksschließungen zu vermeiden, um die industrielle Infrastruktur und damit die Arbeitsplätze zu sichern.
Die Ablehnung von betriebsbedingten Kündigungen.
Daran gemessen ist das Verhandlungsergebnis aus unserer Sicht sehr positiv zu bewerten. Den Parteien ist ein Tarifwerk gelungen, dessen Umfang und dessen Tragweite beeindruckend sind. Es ist ein Riesenpaket geworden, das die Zukunft von Volkswagen nachhaltig absichert.
Die Rentabilität des Unternehmens erhöht sich wesentlich. Das ist von immenser Bedeutung, weil damit die Investitionskraft von Volkswagen gesichert und die erfolgreiche Realisierung von Zukunftsprojekten ermöglicht wird. Volkswagen stellt damit seine Zukunftsfähigkeit sicher.
Grundlage dafür sind unter anderem eine nachhaltige Absenkung der Arbeitskosten, aber auch der Zahl der Arbeitsplätze sowie eine Reduzierung der Kapazitäten in den Werken. An dieser Stelle kommt das Verantwortungsbewusstsein von IG Metall und Betriebsrat zum Ausdruck, das besonders zu würdigen ist.
Das gilt auch für die Sicherung der bestehenden Standorte. Aus niedersächsischer Sicht ist zum einen die klare Perspektive für das Werk in Emden hervorzuheben, dessen Existenz bedroht war. Statt einer Schließung wird Emden auch künftig leistungsstarke Elektro-Autos produzieren; es werden dort alle dafür notwendigen Investitionen vorgenommen werden. Das ist für Ostfriesland eine erlösende Nachricht.
Der Standort Osnabrück steht aufgrund seiner eingeschränkten Kapazitäten vor besonderen Herausforderungen. Bis zum Jahr 2027 wird die Fahrzeugproduktion in jedem Fall fortgesetzt. Parallel dazu steht Volkswagen in der Verantwortung, eine weitere industrielle Nutzung zu realisieren. Dabei ist unter anderem auch an eine Investorensuche gedacht.
Julia Willie Hamburg und ich werden sehr genau darauf achten, dass die zugesicherten Perspektiven für die Standorte eingelöst werden.
Schließlich werden betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen und eine Beschäftigungsgarantie bis zum Jahr 2030 vereinbart. Damit sind diejenigen Gesichtspunkte, die der Landesregierung besonders wichtig waren, abgesichert und das Gesamtpaket wird im Ergebnis von der Landesregierung aus guten Gründen unterstützt.
Drittens: Dennoch besteht natürlich kein Anlass zum Jubel. Zu der Einigung zwischen den Sozialpartnern gehört ein erheblicher Abbau von Arbeitsplätzen. Nach den Angaben des Vorstands handelt es sich um etwa 35.000 Arbeitsplätze, die bis zum Jahr 2030 sozialverträglich abgebaut werden sollen. Davon waren etwa zwei Drittel bereits nach den bisherigen Vereinbarungen zum Abbau vorgesehen, etwa ein Drittel wurden neu vereinbart. Eine deutliche Mehrheit dieser Arbeitsplätze dürfte in Niedersachsen betroffen sein. Wie viele und wo muss in den nächsten Tagen konkretisiert werden.
Dieser Verlust ist schmerzlich, daran kann auch der vereinbarte strikt sozialverträgliche Abbau nichts ändern. Der Arbeitnehmerseite gebührt Respekt dafür, auch insofern Mitverantwortung zu übernehmen.
Für die Landesregierung ist insofern entscheidend, dass diese Maßnahmen unvermeidbar sind, um Volkswagen fit für die Zukunft zu machen. Das ist gerade auch im Hinblick auf die Standorte in Niedersachsen geboten. Genau diese Strukturen bleiben damit erhalten und Niedersachsen bleibt Autoland.
Viertens: Hinter den Tarifparteien liegt ein großes Stück Arbeit. Der erzielte Kompromiss ist nicht selbstverständlich, sondern hart erarbeitet. Mit ihm ist nun eine klare Perspektive für Volkswagen in Deutschland und vor allem auch in Niedersachsen verbunden. Das gilt auch im Hinblick auf Zukunftsthemen wie die Batteriezellfertigung. Aber auch die Politik bleibt in der Pflicht; die Rahmenbedingungen für Elektromobilität müssen weiter verbessert werden.
Grundlage der Einigung ist nicht zuletzt die konstruktive Mitwirkung von Gewerkschaft und Betriebsrat, die in zahlreichen Bestandteilen des Pakets zum Ausdruck kommt und von der Landesregierung ausdrücklich gewürdigt wird.
Gelebte Sozialpartnerschaft bewährt sich gerade in schwierigen Zeiten und die Einigung bei Volkswagen ist dafür ein gutes Beispiel. Der Kompromiss ist allen Beteiligten schwergefallen, aber er war dringend notwendig. Er gibt dem Unternehmen Perspektiven für die Zukunft. Für Niedersachsen können wir feststellen: Unser Land bleibt ein Autoland, Volkswagen und seine Zulieferunternehmen werden auch künftig vielen tausend Menschen gute Arbeitsplätze anbieten. Volkswagen wird auch in Zukunft das Leitunternehmen einer starken Automobilindustrie bei uns in Niedersachsen sein.
Die Landesregierung dankt beiden Seiten für das Ergebnis dieser ungewöhnlichen Tarifrunde. Die Arbeit war der Mühe wert. Es ist nun Aufgabe der Unternehmensführung, auf dieser Grundlage Volkswagen wieder mit attraktiven Produkten zurück in die Erfolgsspur zu bringen.“
Foto: © 22.12.2024 Matthias Falk - hannover_fotografie